Amputation: Siegener Zeitung spricht mit zwei Patienten
aus der Baumrainklinik

"Wir haben Tränen vergossen" -
"Wenn der Aufzug im Haus kaputt ist, komme ich nicht in die Wohnung."

Bad Berleburg. (howe) "Amputation wird als Kriegschirurgie abgetan" - mit diesem Satz bringt Dr. Ralf-Achim Grünther auf den Punkt, was die breite Öffentlichkeit darüber denkt. Amputation - das scheint immer noch ein Tabuthema in der Gesellschaft zu sein. "Die Leute sprechen nicht darüber", weiß Tobias Pott, Pressesprecher der HELIOS-Kliniken. Auch die Patienten selbst schämen sich, über ihre Amputation zu reden. In der Tat ist das Thema komplex, sowohl rein fachlich als auch menschlich. "Man kann nicht mehr das machen, was man will. Manchmal laufen mir die Tränen. Man muss sich eben umstellen. Das Leben verändert sich", erzählt Fredi Czerwinski. Dem 61-Jährigen aus Ratingen musste im Mai das linke Bein amputiert werden. Nach einem Sportunfall hatte man ihm eine Vollprothese eingesetzt. Bakterien breiteten sich daraufhin im Kniebereich aus. "Es blieb nichts anderes, als das Bein abzunehmen."

Ein Team und seine Patienten: Orthopädietechniker Heinz-Joachim Schindler, Patient Horst Tischmeyer, Physiotherapeutin Karin Müsse, Patient Fredi Czerwinski, Dr. Ralf-Achim Grünther und Orthopädietechniker Hubert Kienzle (v.l.). (SZ-Foto: Holger Weber)

Horst Tischmeyer aus Altena teilt das Schicksal mit seinem Patienten-Kollegen. Der 56-Jährige hatte Durchblutungsstörungen im rechten Fuß. "Das soll am Rauchen gelegen haben", sagt er. Irgendwann habe er einen Stich unten im Fuß gespürt. "Da war Feierabend." Horst Tischmeyer ließ seinen Fuß in der Lüdenscheider Gefäßklinik amputieren. Die Gründe für Amputationen sind unterschiedlich: "64 Prozent sind Diabeteskranke", berichtet Dr. Ralf-Achim Grünther, 65 Prozent davon seien über 65 Jahre alt. Was amputierte Menschen während ihres Aufenthaltes in der Klinik und in der anschließenden Rehabilitation psychisch aushalten, kann man nicht beschreiben. Da ist die Tatsache des Verlusts eines Körperteils wohl noch das Geringste. Der Patient muss sich im künftigen Leben komplett umstellen. "Ich kann mit dem Rollstuhl nicht überall hin. Wenn der Aufzug im Haus kaputt ist, komme ich nicht in die Wohnung", erzählt Fredi Czerwinski. "Der Mobilitätsverlust wiegt schwer." Begleiterscheinungen machen das Leben als Amputierter nicht einfacher: Er habe diesen Phantomschmerz erlebt, wenn ihm sein amputierter Fuß eingeschlafen sei, wenn es in den nicht vorhandenen Zehen gekribbelt habe und wenn der ganze Fuß schrecklich wehgetan habe. "82 Prozent aller Amputierten haben Phantomschmerz", nennt Dr. Grünther eine weitere Zahl.

Die Spiegeltherapie verlangt eine behutsame Herangehensweise. Schließlich wird der Patient nochmals intensiv mit der Amputation konfrontiert. (SZ-Foto: Holger Weber)

"Wichtig ist für den Amputierten, dass er nicht alleine ist", sagt Fredi Czerwinski. "Wir haben hier zusammen Tränen vergossen. Das schweißt zusammen." Mit den anderen Amputierten, die bereits nach Hause entlassen worden sind, besteht immer noch Kontakt. "Wir telefonieren miteinander, reden über alles." Beistand und Halt sind wichtig für die Patienten. Das weiß auch Karin Müsse als Physiotherapeutin. Sie ist seit 20 Jahren so etwas wie die gute Seele der Patienten in der Baumrainklinik. Fachlich hochqualifizierte Arbeit leisten ist die eine Seite, eine vertraute Person und Ansprechpartnerin sein eine andere. Karin Müsse ist beides. Das wissen die Patienten. "Ein kleines Stückchen Lebensqualität ist für Amputierte viel", betont Fredi Czerwinski. In der Baumrainklinik bekommt er dieses "Stückchen". Auch Horst Tischmeyer weiß, dass man "hier sehr gut aufgehoben" ist. Vom Chefarzt bis zum Sanitätshaus werde hervorragende Arbeit geleistet. Es ist das "Team", das die besondere Qualität der Arbeit ausmache, glaubt Heinz-Joachim Schindler, Orthopädietechniker-Meister und Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens aus Siegen. Dieses Team sei für den Patienten höchst effektiv, ergänzt der Geschäftsführer des Bad Berleburger Sanitätshauses Kienzle, Hubert Kienzle. Tobias Pott formuliert es so: Dr. Grünther habe den Schwerpunkt in Bad Berleburg aufgebaut. Dahinter stehe ein Team aus Ärzten, Physiotherapeuten, Pflegern und nicht zuletzt die beiden Sanitätshäuser. Bei allen greife ein Rädchen ins andere, eine enge Zusammenarbeit sei unerlässlich. "Hier ist das Zentrum für die Versorgung von Amputierten." Fredi Czerwinski kann das aus eigener Erfahrung nur bestätigen: "Für uns Patienten ist die Verbindung zur Orthopädietechnik vor Ort sehr wichtig. In Düsseldorf finde ich keine geeigneten."

Was die Unternehmen Schindler und Kienzle für die Patienten tun, ist mehr als reine Anfertigung von Prothesen. "Die Prothese muss dein bester Freund werden. Die Prothese ist Lebensqualität gewinnen", sagt Horst Tischmeyer. Die Prothese als das neue Stück vom Körper: Fredi Czerwinski und Horst Tischmeyer haben sich Ziele gesetzt. "Ich will mal wieder an einem Stock durch die Stadt laufen", sagt Fredi Czerwinski und fügt leise hinzu: "Und wieder ins Stadion zur Fortuna." Und Horst Tischmeyer "will ohne die Dinger hier rausgehen und so schnell wie möglich wieder arbeiten." Da ist es schön, dass die Familie bei Czerwinskis zuhause in Ratingen den nötigen Halt gibt und dass Horst Tischmeyers Arbeitgeber das Signal gegeben hat, seinen Werkzeugmacher in der Firma mit offenen Armen empfangen zu wollen.

Von Holger Weber

Amputation: Fortbildung am Samstag

Am Samstag, 5. Dezember, findet in der Bad Berleburger Baumrainklinik eine Fortbildungsveranstaltung zum Thema "Amputation" statt. Ab 9 Uhr eröffnen Dr. med. Ralf-Achim Grünther, Facharzt für Orthopädie, physikalische Therapie, Chirotherapie, Röntgendiagnostik, Rettungsmedizin und technische Orthopädie, Bürgermeister Bernd Fuhrmann und HELIOS-Geschäftsführer Sascha John die Veranstaltung. Es folgen jeweils kurze Fachvorträge zu den Bereichen "Fußamputation", "Diabetischer Fuß", "Rehabilitation und Orthopädietechnik". Am Schluss steht gegen 18.10 Uhr eine Podiumsdiskussion zur Fußamputation aus orthopädie- und schuhorthopädietechnischer Sicht.

Weitere Informationen über das HELIOS Rehazentrum Bad Berleburg Baumrainklinik finden Sie im Internet unter:
www.helios-kliniken.de/baumrainklinik

Siegener Zeitung | SWA-Sonntagsanzeiger

Siegener Zeitung (01.12.2009)
Bildquelle: SZ-Fotos (2) von Holger Weber (howe)


Servicezeiten Bad Berleburg

    Mo - Fr
    Samstag
09-18 Uhr
10-13 Uhr

Werkstätten Rehatechnik und Orthopädietechnik

    bis 17 Uhr besetzt

Servicezeiten Winterberg

    Mo, Di, Do
    und
    Mi, Fr
    Samstag
8.30-12.30 Uhr
13.30-17.30 Uhr
8.30-12.30 Uhr
geschlossen

  Sanitätshaus Kienzle - PARTNER PRO GESUNDHEIT
  Sanitätshaus Kienzle - EGROH Service GmbH (www.egroh.biz)
  Sanitätshaus Kienzle - Neuro-Kompetenzzentrum (Schlaganfall)
  mavida - Das Online-Portal für Gesundheit und Wohlbefinden
  Zertifiziertes fisch-Bewegungszentrum mit fischCHECK ::: Sanitätshaus Kienzle (Laufanalyse, Bewegungsanalyse, Pedographie, Videoanalyse)
  Sanitätshaus Kienzle - Bad Berleburg Card
  Sanitätshaus Kienzle - Ehrenamtskarte NRW - 5 % Rabatt auf jeden Einkauf